JOHANN CHRISTOPH SIEDENSCHNUR

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So leicht es mir fällt, den Entstehungsprozess meiner Bilder zu schildern, so unzureichend erscheint es mir, Anlass und Ziel meiner Arbeit zu deuten. Das Werk des Philosophen und Schriftstellers Max Picard begleitet mich seit Jahren und hat rückblickend mein Leben und somit mein künstlerisches Schaffen beeinflusst:

„ Nichts hat so sehr das Wesen des Menschen verändert als der Verlust des Schweigens. Die Erfindung der Buchdruckerkunst, die Technik, die allgemeine Schulpflicht, nichts hat den Menschen so umgestaltet wie dies, dass er keine Beziehung mehr hat zum Schweigen, dass das Schweigen nicht mehr da ist als etwas Selbstverständliches, selbstverständlich wie das Gewölbe des Himmels oder die Luft. Der Mensch, der das Schweigen verlor, hat mit dem Schweigen nicht nur eine Eigenschaft verloren, er ist in seiner ganzen Struktur dadurch verändert worden … Die Erde war einst nicht weniger besetzt als heute, aber sie war vom Schweigen besetzt, der Mensch konnte nicht alles in ihr ergreifen, das Schweigen hielt es fest. Der Mensch brauchte auch nicht alles zu wissen, das Schweigen wusste es für ihn, und da der Mensch mit dem Schweigen verbunden war, so wusste er vieles durch das Schweigen … In dieser Welt von heute, die alles nach der unmittelbaren Rendite berechnet, ist für das Schweigen kein Platz mehr. Das Schweigen wurde vertrieben, weil es nicht ergiebig war, weil es nur da war, es schien keinen Zweck zu haben, es kam nichts aus ihm heraus, es war unproduktiv. Schweigen gibt es heute fast nur noch so: als Unfähigkeit, das einer nicht mehr reden kann, als etwas Reduziertes, Negatives, nur in dieser Form erscheint es noch. Es ist nur noch wie ein Konstruktionsfehler im andauernden Ablauf des Lärmes.“

 

(Max Picard aus „Die Welt des Schweigens“)

Vielleicht sind meine Bilder der Versuch dem Schweigen in dieser geräuschbesetzten Welt wieder mehr Raum zu geben

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